Qualitätsforum 2022

Ergebnisqualität neu denken - Startschuss für mehr Mut

Programm

14:00 Uhr

Begrüßung
Hubertus Lasthaus, Vorstandsvorsitzender des Qualitätsverbund Hilfsmittel e.V.


Was erwarten Patientinnen und Patienten von einem digitalen
Gesundheitssystem?
Stefan Schwartze, MdB, Fraktion SPD, Patientenbeauftragter der Bundesregierung


Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) im internationalen und nationalen Vergleich: Herausforderungen und Erfolgsstrategien für die Umsetzung in Deutschland
Viktoria Steinbeck, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin


PROMs in der ambulanten Versorgung am Beispiel des Projekts „PROMs in der schweizerischen Grundversorgung“
Joel Lehmann, Geschäftsführer EQUAM Stiftung, Bern


Fragen und Antworten – Diskussion

15:25 Uhr Pause

15:45 Uhr

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Umgang mit unseren Versorgungsdaten
Maximilian Funke-Kaiser, MdB, Fraktion FDP, stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss; Digitalpolitischer Sprecher der FDP


Ein Fenster in die Zukunft. Registerdaten für die Forschung am Beispiel des Exoprothesenregisters
Dr. Urs Schneider, Abteilungsleiter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA)

Steht der deutsche Datenschutz der Digitalisierung des Gesundheitswesens im Weg?
Lukas Mempel, Konzerndatenschutzbeauftragter, Leiter des Bereichs Datenschutz und Datensicherheit der Sana Kliniken AG


Abschlussdiskussion

17.00 Uhr Ende der Veranstaltung

Ergebnisqualität neu denken – Startschuss für mehr Mut – Qualitätsverbesserung der Hilfsmittelversorgung durch versorgungsnahe Daten der Versicherten.
So lautete das Thema des 11. QVH- Qualitätsforums am 10. November 2022, das der QVH e.V. auch dieses Jahr wieder als Online-Veranstaltung durchführte.

Den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, eine bereits vorhandene Behinderung auszugleichen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern, sollte das Ziel jeder Hilfsmittelversorgung sein. Wie Patienten selbst die Versorgung bewerten, ist jedoch oftmals nicht bekannt. Der QVH hat in seinem diesjährigen Qualitätsforum aus verschiedenen Blickwinkeln mit namhaften Experten beleuchtet, welche Möglichkeiten es tatsächlich gibt, die Ergebnisqualität aus Patientinnen- und Patientensicht stärker in den Fokus zu nehmen. Durch die diesjährigen Vortragenden wurde deutlich aufgezeigt, dass die Selbstbewertung durch die Patienten – Experten der eigenen Gesundheit – eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden Qualitätsindikatoren ist. Mit der Implementierung von digitalen Lösungen, die von Patienten gemeldete Ergebnisse standardisiert erfassen, werden die innovativen Messlatten für Versorgungsqualität von morgen gesetzt.

 

Stefan Schwartze, Mitglied des deutschen Bundestages und Patientenbeauftragter der Bundesregierung leitete mit seinem Grußwort ein und hob die Bedeutung dieses Perspektivwechsels für die Versorgung und den Einsatz von Hilfsmitteln im Alltag der Nutzerinnen und Nutzer hervor. Die praktische Datennutzung ermögliche zudem die Unterstützung einer selbstbestimmten Entscheidung in der Versorgung. Er bestärkte den QVH weiter an seinen patientenorientierten Zielen zu arbeiten, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten fortlaufend zu verbessern.

Viktoria Steinbeck, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin gab einen Überblick über Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) im internationalen und nationalen Vergleich. International und national gibt es sehr ähnliche Herausforderungen. Auf der individuellen Ebene sind dieses insbesondere die (noch) fehlende Patientenzentrierung bei Fragebögen im Versorgungskontext und die geringe Wertschätzung von PROMs. Auf der Systemebene sind es die technischen Barrieren bei der Datenerfassung und -analyse, die fehlenden Orientierungshilfen für die Implementierung von PROMs und die fehlende politische Unterstützung. 

Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung in Deutschland benannte sie sechs Punkte: 1. den Fokus auf die Patienten richten, u.a. durch den verbesserten Zugang zu Daten und die Einbeziehung von Patientenvertretern, 2. die Förderung von Forschung und Anwendung durch klinische Champions und die entsprechend notwendigen Schulungsprogramme, 3. die IT-Infrastruktur, die versorgerübergreifende digitale Plattformen mit offenen Schnittstellen benötigt, 4. Standardisierung der Mindeststandards für die digitalen Instrumente und Interoperabilität sowie Standards für PROM-Metriken, 5. Finanzielle Anreize und die Zertifizierung für die Messung/Erfassung und Nutzung der Daten sowie 6. den politischen Willen zur Schaffung nationaler Rahmenbedingungen zur Förderung von PROM-Initiativen. Sie wies darauf hin, dass es in Deutschland dazu noch erheblichen Nachholbedarf gibt.

Joel Lehmann, Geschäftsführer der EQUAM Stiftung Bern, berichtete von einem durch neue schweizerische Gesetzgebung zu Qualitätsanforderungen im Gesundheitswesen getriggertes Projekt, das von der EQUAM Stiftung durchgeführt wurde: „PROMs in der schweizerischen Grundversorgung“. Zwei ambulante Hausarztpraxen nutzten die Wartezeit im Wartezimmer, um mittels eines validierten Fragebogens zur Lebensqualität Patienten und Patientinnen zu befragen. Auf einem Tablet konnten die Patienten und Patientinnen ihre Antworten eingeben und diese, wenn gewünscht, direkt mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin besprechen. Die Daten wurden digital erfasst und anonymisiert aggregiert. Positive Effekte dieses Projekts zeigten sich rasch. Patienten und Patientinnen waren motiviert mitzumachen, sie fühlten sich ernst genommen und schienen erfreut über das vertiefte Interesse an ihrem Leben und ihren Ansichten. Es zeigte sich dabei auch, dass die PROMs auf drei unterschiedlichen Ebenen als praktisches Instrument verwendet werden können: Verbesserung der Kommunikation (z.B. zwischen Arzt und Patient), als Informationsplattform für die Beziehung und den Austausch zwischen verschiedenen an der Versorgung beteiligten Akteuren (individuelle Ebene) oder zur Verbesserung der integrierten Dienstleistungserbringung (Datennutzung durch weitere Akteure) und last but not least kann dieses letztendlich zu Verbesserungen des Gesundheitssystems führen.

Maximilian Funke-Kaiser, Mitglied des deutschen Bundestages für die FDP-Fraktion, stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss und Digitalpolitischer Sprecher der FDP stellte fest, dass wir einen Paradigmenwechsel im Umgang mit unseren Versorgungsdaten brauchen. Gesundheitsdaten im Allgemeinen dienen der modernen Gesundheitsversorgung. Sie helfen dabei, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen. Sie sind das Öl, das das gesamte System „schmiert“. Ganz entscheidend ist es für die Nutzung der Daten in unterschiedlichen Zusammenhängen, diese einheitlich zu strukturieren, damit sie zum Nutzen für Patientinnen und Patienten verwendet werden können. Auch die Sekundärnutzung dieser Daten, im Sinne der Forschung ist ein ganz wichtiger Aspekt. Es wird ein Forschungsdatenökosystem entstehen, das sowohl in Deutschland als auch in Europa – Stichwort EHDS – verwendet werden wird. Die Gesetzgebungsvorhaben dazu sind in Vorbereitung.

Dr. Urs Schneider, Abteilungsleiter im Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) öffnete ein Fenster in die Zukunft. Warum Registerdaten für die Forschung und für die individuelle Versorgung so wichtig sind, erläuterte er am Beispiel des Exoprothesenregisters. Für die Rehabilitation und Behandlung amputierter Menschen besteht aktuell eine schwache Studienlage und damit geringe Evidenz der unterschiedlichen Versorgungsarten und Produkte. Register liefern große Datenmengen, die evidenzbasierte Entscheidungen in der Patientenversorgung stärken und sichern können. Dies gilt auch für neue innovative Behandlungen. Zielsetzung des Registers ist es, eine fundierte Datenlage und Evidenz von Versorgungskonzepten und deren Einfluss auf die Patientenklientel zu liefern. Auch zukünftige innovative Entwicklungen sollen im Sinne der Teilhabe auf belastbaren Daten basieren. Studien können auf Basis der Registerdaten sehr schnell erstellt werden. Nicht zuletzt können die damit erreichten effizienteren Prozesse im Versorgungsgeschehen den Nutzen solcher Register belegen.

Lukas Mempel, Leiter des Bereichs Datenschutz und Datensicherheit der Sana Kliniken AG stellte die provokante Frage, ob der deutsche Datenschutz der Digitalisierung des Gesundheitswesens im Wege steht. Die Regelungen und Vorgaben des Datenschutzes sind sehr divers geregelt, so führte er aus, diese werden oftmals auch unterschiedlich interpretiert. Gerade das soll durch die in Vorbereitung befindlichen gesetzlichen Regelungen zur Primär- und Sekundärnutzung der Daten besser dargestellt werden, als dieses bisher der Fall ist. Ziel und Zweck sämtlicher Datenschutzregelungen fußen alle auf Art. 8 der Charta der Grundrechte der EU und dienen sowohl dem Schutz von Interessen als auch zur Stärkung des Vertrauens, um so einen sorgsamen Umgang mit diesen Daten zu gewährleisten. Die Regulatorik bietet den Rahmen, medizinische Entwicklung voranzutreiben. Der ursprüngliche Treiber, der zu den gesetzlichen Regelungen geführt hat war tatsächlich der bedarfsgerechte Zugang zu Daten und nicht der Verhinderer der Digitalisierung. Wenn wir zurückdenken an die Papierakten früherer Zeiten, so war hier keineswegs der notwendige Datenschutz oder der bedarfsgerechte Zugang mit entsprechenden Berechtigungskonzepten vorhanden. Heute können wir mithilfe der Digitalisierung die Datenzugriffe sehr spezifisch steuern und können mit den Daten Parameter generieren, um evidenzbasierte Entscheidungen in der medizinischen Versorgung zu treffen.

Sein Fazit: der Datenschutz ist sicher nicht die Lokomotive – jedoch der Weichensteller für die Digitalisierung. Er gibt die Richtung vor und mahnt die handelnden Akteure. Vieles kann gemacht werden, man muss es nur richtig machen! Abschließend mahnte er, dass Daten tatsächlich nur erhoben werden dürfen, wenn es eine rechtliche Grundlage dafür gibt, oder die Betroffenen eingewilligt haben das diese Daten erfasst und verarbeitet werden. Der Zweck der Datenerhebung muss legitim sein, und darf nicht über das Ziel hinausschießen. Nun ist es geboten, den gesetzlichen Rahmen auf eine sichere Plattform zu stellen – diesen Prozess müssen wir jetzt alle aktiv begleiten!

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